Gründer-Schlüsselerlebnis - nach der Ablehnung blieb nur der Platz unter der Brücke
2005 war ich mit der Aufgabe für einen Unternehmer betraut, nach gewonnener Ausschreibung des Arbeitsamtes ein Existenzgründerprojekt in Seminarform für Arbeitslose zu entwickeln und umzusetzen. Es ging um 1200 Menschen, die auf dem 1. Arbeitsmarkt keine Möglichkeit hatten, wieder in Lohn und Brot zu kommen. In dieser Zeit gab es die Initiative des Bundes, eine Ich-AG mit finanzieller Unterstützung eines Sonderprogramms zu gründen. Ich lernte einen Menschen kennen, der an der Ablehnung seines gewünschten Standortes zerbrach und mir bis heute an mein Herz geht.
Geholfen werden sollte immer ... Bild: Marith Hartkopf / pixelio.deDie Regeln des ArbeitsamtesDie vorgegebenen Regularien füllten einen ganzen Aktenordner, die Richtlinien der Seminar-Gestaltung war bis ins kleinste Detail vorgeschrieben. So war der Abstand zwischen 2 Stühlen bis auf den Zentimeter genau vorgegeben, ebenso natürlich die ganzen Lehrinhalte. Es gab zum Beispiel einen Block Recht, in dem 4 Stunden lang referiert werden musste, was die Unterschiede zwischen einer OHG, GmbH & Co. KG und allen anderen Rechtsformen sind. Interessiert hat das keinen Teilnehmer, das wäre auch in 15 Minuten gegangen.
Die Geheimnisse der Buchführung und des Steuerwesens wurden ebenfalls lang und breit vorgegeben. Da ich selber auch auf der Bühne stand mit dem Bereich Fördermittel und Finanzierung, merkte ich schnell, dass dieses vorgegebene System an den Interessen und Bedürfnissen der Menschen völlig vorbei ging.
Ob die Geschäftsidee erfolgreich sein könnte, wollte keiner wissenIch baute das gesamte Lehrprogramm an einem Wochenende um, und das neue Programm war jetzt für die Teilnehmer näher an der Praxis. Dennoch mussten die vorgeschriebenen Regeln eingehalten werden, um die Entlohnug des Veranstalters zu sichern - so wurde es nur eine Teillösung, die ich zu spüren bekam.
3 Fragen kamen in dem gesamten Seminar nicht vor. Hat die Geschäftsidee eine Chance auf einen Erfolg, wie kriege ich das praktisch hin - und was passiert mir, wenn es nicht klappt.
Freiwillig waren dort nicht alleErklärt werden sollte an dieser Stelle noch, dass viele Teilnehmer geschickt wurden, also aus eigenen Stücken gar nicht gekommen wären. So saß neben einem sehr aufmerksamen Architekten im Alter von 62 Jahren eine junge Frau mit 22, die noch nie gearbeitet hat und es auch nicht wollte.
Und es gab einen Teilnehmer, der bereits mit einer Geschäftsidee in den Satteltaschen zu uns kam, ein toller Mensch im Alter von etwa 55, Zottelbart, wettergegerbtes Gesicht, der viel Zeit seines Lebens auf der Straße verbracht hat.
Hotdogs mit einem Businessplan?Dieser Mann hat vom Business nicht die geringsten Kenntnisse und er tat sich sichtlich schwer, die komplexe Materie zu verstehen. Aber er lies es über sich ergehen, weil er seinen Traum verwirklichen wollte, mit einem selbst gebauten Anhänger hinter seinem Fahrrad in seiner Stadt auf den Straßen Hotdogs zu verkaufen. Für ihn war es das Größte, endlich wieder einen Sinn im Leben zu sehen und so tat er alles, um das Zertifikat für das bestandene Seminar zu erhalten.
Die deutschen Behörden sagten: NeinEines Morgens erschien dieser Mann mit Wut im Bauch und tränenden Augen, er war völlig fertig. Seine Stadt hat ihm die Erlaubnis verweigert, mit seinem Gewerbe auf die Straße gehen zu dürfen. Vor Wut zertrümmerte er seinen Anhänger unter seiner Brücke, kaufte sich einen Kasten Bier und war fertig mit der Welt, seine Lebensenergie war aufgelöst.
Als Projektleiter fühlte ich mich völlig deplatziertIn dieser Situation spürte ich, dass dieses Seminar nicht mal ansatzweise ausreichend ist, um helfen zu können. Dieses Erlebnis ist tief in mir verankert geblieben, auch deshalb fing ich mit white Haus an. So etwas passierte mir nie wieder.
Roland Börck