Immobilien-Schnäppchen beglaubigt der Nachtnotar
Der Beruf des Nachtwächters ist inhaltlich klar vorgegeben, eher unaufregend und im zeitlichen Ablauf genauestens getimt. Wer für eine überschaubare Entlohnung einen ruhigen Job sucht, keine großen Anforderungen an die eigene Kreativabteilung stellt, ist in diesem Beruf gut aufgehoben. Wer aber als Nachtnotar sein Brot verdienen möchte, der muss gewisse schauspielerische Fähigkeiten mitbringen.
Im Dunkeln ist gut Munkeln Bild: Thommy Weiss / pixelio.deDer ordentliche Beruf NotarDem Notar sind als unabhängigem Träger eines öffentlichen Amtes hoheitliche Befugnisse zur vorsorgenden Rechtspflege in Deutschland übertragen. Der Notar übt eine präventive Rechtskontrolle aus und errichtet Urkunden, die bindende Beweiskraft gegenüber Gerichten haben und unmittelbar vollstreckbar sind.
Das deutsche Rechtspflegesystem geht entsprechend der Rechtslage in den meisten kontinentaleuropäischen Mitgliedsstaaten im Zivilrecht von einem Zweisäulenmodell aus. Die vorsorgende Rechtspflege durch den Notar dient dem Schutz unerfahrener, ungewandter Beteiligter vor rechtlichen Benachteiligungen und gewährleistet Rechts- und Beweissicherheit zum Zweck späterer Streitvermeidung. Die präventive Rechtskontrolle der Notare hat gegenüber der richterlichen Streitentscheidung eine echte Komplementärfunktion. Ihnen kommt gewissermaßen als „Richter im Vorfeld“ – eine eigene hoheitliche Kontroll- und Entscheidungskompetenz zu. So weit, so gut.
Das Schnäppchen muss ganz schnell beurkundet werdenIn der Immobilienbranche gibt es immer wieder mal Anbieter von supertollen Schnäppchen, die alles versprechen, was der geneigte Anleger sucht: 1a-Lage, top-saniert, erstklassige Bausubstanz, hervorragendes Umfeld, zentral gelegen – und natürlich zu einem einmaligen Preis, den vorzugsweise noch das Finanzamt bezahlt wegen der steuerlichen Vergünstigungen. Sollte diese Immobilie auch noch vermietet sein, wird eine Mietgarantie mit Verwaltungsservice integriert. Diese Immobilie wird nur Vorzugskunden angeboten und hat eine Zeichnungsfrist. Bei Notebooks für 99.- Euro würde es heißen, „solange der Vorrat reicht“.
Der Psychotrick des Susi-Sorglos-PaketesWenn von dem Vertrieb solcher Immobilien ein Kaufinteressent gefunden worden ist, gilt die unausgesprochene Regel, dass der Interessent auf keinen Fall mehr allein gelassen werden darf. Denn wenn Mensch erst einmal mit sich ins Gespräch kommt, könnte Mensch im schlimmsten Fall sogar sein Hirn einschalten und würde vielleicht sogar zur Vorsicht angemahnt werden. Schon wird aus einem Interessenten ein Bedenkenträger, was abträglich für das Geschäft ist. Also erhält der Interessent ein Susi-Sorglos-Paket durch eine Vollzeitbetreuung.
Von der Beratung direkt zum NotarBeratungsgespräche mit solchen Interessenten werden zumeist abends in der Privatwohnung durchgeführt, nach Feierabend des Interessenten. Um dieses tolle Angebot „abzusichern“, wird dem Interessenten angeboten, noch heute zu einem Notar zu fahren, damit auch ja kein anderer Mensch dieses Schnäppchen wegschnappen kann. Das Wort Notar wirkt dann Wunder, denn ein Notar genießt ein hohes Ansehen. In dem Glauben, dass „inhaltlich“ nichts mehr schiefgehen kann, weil der Notar das ganz sicher sagen würde, wird der Interessent ins Auto des Vertrieblers verfrachtet und ab geht es zum Notar.
Das schauspielerische TalentWer keine juristischen Kenntnisse von Kaufverträgen hat, verlässt sich auf die Neutralität des Notars. Der Irrtum besteht darin, dass der Notar nicht über den Wert und somit den Kaufpreis der Immobilie entscheidet, sondern nur dafür sorgt, dass der Vertrag juristisch einwandfrei ist. Dies trifft sicher auch immer zu, damit so ein Vertrag nicht angefochten werden kann. Aber wer Immobilien beurkundet, bekommt mit der Zeit auch Kenntnisse über den tatsächlichen Wert und müsste darauf aufmerksam machen. Ein Schelm, wer annimmt, dass neben den offiziellen Notargebühren noch Sondervereinbarungen existieren ...
Roland Börck